Der unsichtbare Berg
Den indischen Ozean lassen wir hinter uns, als wir am Vormittag aus Bagamoyo losstarten. Fest steht, dass es unser letzter Halt an der Ostküste Tansanias gewesen ist und wir fortan wieder den Atlantik auf der anderen Seite Afrikas ansteuern. Noch vor dem ersten Tankstopp sinkt Michaels Laune. Zwei der fünf Anzeigen am Armaturenbrett funktionieren nicht – immerhin nur der Drehzahlmesser und die Ladedruck Anzeige. Einige Polizeikontrollen und tausende markerschütternde “Speed Humps“, über die wir im Schritttempo kriechen, tun das Restliche um unser beider Gemüt zu strapazieren. Diese Bremshügel sind in allen Varianten vor jeder noch so kleinen Rundhütte zu finden. Carsten, der deutsche Mechaniker, hat uns bereits in Lusaka vorgewarnt, aber das Ausmaß dieser lauernden Achsenbrecher haben wir unterschätzt. Als es zwei Stunden später auch noch heftig zu regnen beginnt, sprechen wir erstmals darüber, unsere Wunschroute zu verlassen und alternative Wege einzuschlagen. Weitere dreitausend Kilometer durch Tansania wollen wir uns und dem angeschlagenen Bus nicht zumuten.
Zuerst steht aber das nächste Highlight am Programm. Der höchste Berg Afrikas ist weniger als 800 Kilometer entfernt und somit in zwei Etappen zu erreichen. Eine kurze Regenpause nutzen wir um am Straßenrand halt zu machen und uns die Füße zu vertreten. Wenige Schritte vergehen, bevor sich ein Pick-Up hinter uns einparkt. Mehrere junge Männer springen von der Ladefläche und einer davon kommt geradewegs auf uns zu. Mit einem Lächeln stellt sich der Mann vor und erklärt freudig, dass er im Auftrag des staatlichen Stromanbieters Tanesco unterwegs ist. Er bittet uns darum, unbedingt für ein gemeinsames Foto zu posieren. Als “Aliens“ sind wir ja schon häufiger behandelt worden, doch als “Celebrity-Aliens“ können wir kaum ablehnen und willigen ein. Verschiedene Aufnahmen werden gemacht, bevor sich der Mann tausendfach bedankt und freudig verschwindet.
Kurz danach setzt wieder sinnflutartiger Regen ein, der die Fahrt in einen Blindflug verwandelt. Knapp vor Sonnenuntergang erreichen wir unser Ziel bei Korogwe. Was wir dabei nicht finden, ist unser geplantes Nachtlager. Laut Navigation sollten wir mitten davor stehen, erkennen aber nur eine Gaststätte die ihre letzten Fritten verkauft. Ein junger Mann namens Garth meint, er kenne ein Guesthouse, vor dem wir ebenso parken oder ein sauberes Zimmer beziehen können, das nur wenige Minuten entfernt liegt. Wir willigen ein und der Mann nimmt am Beifahrersitz Platz. Aus wenigen Minuten werden doch viele und obwohl er Michi auf mehrfache Nachfrage hin versichert hat, dass die Zufahrt bestens befahrbar sei, landen wir am Fuße eines steilen Hügels. Ein kleiner Bach rinnt obendrein die Fahrspur hinunter. Der Motor heult kurz auf und wir schaffen tatsächlich 80% des matschigen Anstieges, bevor wir uns festfahren. Schlamm und Dreck spritzt in alle Richtungen. Der vermeintliche Helfer meint noch, dass wir den Bus stehen lassen sollen um zumindest einen Blick auf das Hotel zu werfen. Mehr braucht unser fahrender Heißsporn nicht. Er erklärt Garth, dass er nichts dergleichen tun werde, außer ihn sofort wieder dort abzuliefern, wo wir ihn aufgegabelt hatten. Davor müssen wir noch rückwärts den Hang hinunterrollen und bleiben am Ende sogar kurz stecken. Als wir den Burschen abladen, entdecken wir ein altes Motel. Tatsächlich lungert ein Mitarbeiter im Empfangsraum herum und bietet uns ein Zimmer an. Obwohl wir eigentlich draußen im Bus schlafen wollen, willigen wir ein, auch weil der Regen noch nicht nachgelassen hat. Drinnen bereuen wir die Entscheidung. Zu den üblichen afrikanischen Hotelbewohnern, wie Spinnen, Geckos, Kakerlaken und Moskitos entdeckt Ines noch einen anderen Gast unter unserem Bett. Ein Frosch sucht vergeblich einen Ausweg und wir haben alle Mühe ihn mit Hilfe eines Mistkübels ins Freie zu lotsen.
Am Morgen setzen wir unsere Fahrt vorerst im Trockenen fort. Mit etwas Glück können wir in wenigen Stunden die Spitze des Kilimanjaro erspähen. Der knapp 5900 Meter hohe Gipfel ist nicht nur der höchste Berg Afrikas, sondern auch der höchste freistehende Berg der Welt. Michael möchte direkt nach Moshi fahren, wo er vor drei Jahren bereits einige Freundschaften geschlossen hat und sich gut auskennt. Ines schlägt vor, vorher noch in Marangu Halt zu machen, wo wir direkt am Eingang des Mount Kilimanjaro Nationalpark campieren können und eventuell noch schönere Gipfelsichtungen erleben können. Michi ist einverstanden. Dort angekommen schüttet es, wenig überraschend, wie aus Kübeln. Die dunklen Wolken verhindern jegliche Möglichkeit den Berg zu erkennen. Später gönnen wir uns Pasta im Restaurant des Marangu Hotels, lassen uns von der Kellnerin etwas Suaheli Nachhilfe geben und hoffen auf die Rückkehr der Sonne am nächsten Tag. Als am frühen Morgen, die Regentropfen noch immer lautstark auf unser Dach prasseln, begraben wir die Hoffnung und ziehen uns nochmals die Decke über den Kopf. Gegen Mittag beschließen wir den kleinen Ort zu Fuß zu erkunden. Vor dem Ausgang warten bereits mehrere Tagelöhner die uns gegen Gebühr führen möchten, doch wir lehnen dankend ab. Manche der Männer waren bereits stark alkoholisiert und hätten wohl keine gute Figur abgegeben. So wandern wir alleine durch den Nationalpark, besuchen einen Wasserfall und eine stillgelegte Kaffeeplantage. Am Abend verhüllen wiederum dichte Wolken die Bergspitze und wir können nur erahnen wo sich der schneebedeckte Gipfel befindet.
Am nächsten Morgen fahren wir an den Hängen des Berges entlang Richtung Südwesten, wo die Ortschaft Moshi liegt. Michael freut sich auf bekannte Gesichter. So steuern wir die Honey Badger Lodge an, in der Hoffnung dort auch campieren zu dürfen. Die Zufahrtsstraße ist, wie viele Nebenstraßen, aufgrund der Regenzeit in desaströsem Zustand und wir scheppern im Schneckentempo hin. Die Managerin bietet an, den Chef anzurufen um abzuklären, ob wir in Sachen Camping eine Ausnahmegenehmigung erhalten können. Fehlanzeige - immerhin können wir ein hübsches Doppelzimmer zu günstigen Konditionen beziehen. Michael erfährt, dass der Großteil, der Belegschaft nicht mehr hier arbeitet, kann aber immerhin die Telefonnummer von Anderson herausbekommen. Vor drei Jahren, hat der Bursche an der Bar der Lodge gearbeitet, nebenbei seine Ausbildung zum Safariguide gemacht und ist dazwischen mit Michi einige Male unterwegs gewesen.
Per Taxi lassen wir uns zum Union Coffee führen, einem beliebten Treffpunkt für Reisende. Als wir die erste Tasse geleert haben, können wir der Versuchung einer frischen Mehlspeise nicht wiederstehen. Ines trifft eine ausgezeichnete Wahl, als sie sich für den Riesen-Brownie entscheidet. Michael kontaktiert seinen alten Weggefährten und erreicht ihn prompt. Anderson ist begeistert und meint nach wenigen Worten: „Oh my god, i’ll be there in five minutes!“. Tatsächlich rollt nach etwa dreißig Minuten ein Land Cruiser an und ein bekanntes Gesicht steigt aus. Freudig umarmen sich die beiden Männer. Anderson geht es bestens. Sein Sohn geht bereits zur Schule und er selbst hat es geschafft, sich als selbstständiger Safariguide zu etablieren. Nach dem freudigen Wiedersehen lässt er es sich nicht nehmen, uns zur Lodge zurückzubringen. Auch am ersten Abend in Moshi bleibt der Gipfel vor unserer Haustüre bedeckt. Wir beschließen trotz der trüben Aussichten, den Ort nicht zu verlassen, bevor wir den Kilimanjaro zumindest einmal gesehen haben.
Am nächsten Tag erleben wir bei der Rückfahrt aus der Stadt eine unterhaltsame Begebenheit. Der junge Tuk-Tuk Fahrer hat sichtlich keine Ahnung wo wir hinwollen, als er beim Einstieg einen viel zu niedrigen Preis veranschlagt. Uns soll es recht sein. Für die Vorstellung, die er liefert, steht ihm jedenfalls ein Trinkgeld zu. Als er am halben Weg einen Polizisten am Straßenrand entdeckt, drosselt er sofort das Tempo und biegt, geduckt hinterm Lenkrad, mitten in die Pampa ab. Samt uns beiden auf der Rückbank natürlich. Hinter einem Baum versteckt, möchte er warten, bis der Ordnungshüter beschäftigt ist. Immer wieder startet er den Motor an, späht hinter dem Baum hervor, um dann doch den Mut zu verlieren. Einiges an Zuspruch unsererseits ist nötig, bis der Bursche seinen Mut zusammenpackt und zügig am Polizisten vorbeirauscht. Schließlich bleibt uns auch an diesem Abend in Moshi ein Blick auf den Gipfel verwehrt.
Am kommenden Morgen entdecken wir ein wetterunabhängiges Ausflugsziel. In Machame gibt es ein Rescue Center für verwaiste und verletzte Tiere, das wir gerne besuchen wollen. Gemeinsam mit Anderson machen wir uns am Nachmittag auf den Weg. Bevor wir uns dort umsehen können, turnt bereits ein kleiner Miltis Affe an Ines Bein und versucht ihre Hosentasche zu leeren. Der Guide vor Ort hat zu jedem der verletzten Tiere eine Geschichte, die er rührend erzählt. Neben den Affen gibt’s noch allerhand Spezielles zu sehen. Zwei afrikanische Rieseneulen lassen sich streicheln, ein Warzenschwein namens Willy suhlt sich und ein Gepard pfaucht uns ordentlich an. Wenige Zentimeter entfernt, jedoch durch Gitterstäbe getrennt begutachten wir die prächtige Katze. Sie ist fast ausgewachsen und am besten Weg, wieder in die Wildnis entlassen zu werden. Zwei Marubu Störche haben weniger Glück gehabt. Ihre Flügel sind irreparabel gebrochen und sie werden nicht wieder fliegen können. Ein besonders ulkiges Exemplar ist der kleiner Duiker namens Felix. Diese Zwergantilope ist besonders zutraulich und futtert genüsslich Bananen aus Ines Hand. Als wir bei der Fütterung der dreibeinigen Serval-Katze angelangt sind, vernehmen wir einen bekannten Dialekt. Die Grazer Tiertrainerin Barbara arbeitet hier vor Ort und hilft den Angestellten beim Umgang mit den tierischen Bewohnern. Wir kommen länger ins Plaudern und erfahren einiges über die organisatorischen und politischen Hürden, die so ein Projekt mit sich bringt. Am Heimweg laden wir Anderson bei einem indischen Restaurant zum Essen ein und vereinbaren ein letztes Treffen für den kommenden Tag, bevor er zu seiner nächsten Tour aufbricht.
Morgens versteckt sich der Kilimanjaro abermals, jedoch setzt sich im Laufe des Tages immer mehr die Sonne durch. Also perfektes Wetter für ein Fotoshooting mit dem aufstrebenden Safarguide. Am Nachmittag posiert Anderson samt Land Cruiser und fühlt sich sichtlich wohl. Er ist begeistert von den Fotos und der Abschied verläuft wiederum herzlich. Dann ist es soweit. Kurz vor 18:00 lichten sich einige Wolken und man kann mit freiem Auge die schneebedeckte Spitze des Kilimanjaro erkennen. Fast eine Woche mussten wir auf diesen Anblick warten. Wenn auch nur kurz, genießen wir diesen magischen Moment, als die letzten Sonnenstrahlen des Tages den Schnee gelb färben.
Am Morgen haben wir noch mehr Glück. Der Wecker läutet uns um 5:45 aus dem Bett und wir spazieren noch vor der ersten Koffeinspritze nach draußen. Wolkenlos präsentiert sich der Kilimanjaro in seiner ganzen Pracht. Am Gipfel liegt obendrein deutlich mehr Schnee als gewöhnlich. Wir schießen beide eine Menge Fotos und spazieren durch die Siedlung. Selbst als wir nach dem Frühstück nochmals vor die Lodge treten, ist der Blick ungetrübt und wir posieren noch für einige Bilder. Wir haben den Berg endlich gefunden, Grinsen zufrieden um die Wette und winken den Kindern zurück, die am Weg zur Schule sind.
Ngorongoro - im größten Vulkankrater der Welt
Ines steht seit Tagen in Kontakt mit Cornelia, die als Ärztin das Projekt leitet, in dem wir gerne mitgewirkt hätten. Aufgrund der Dramatik zu Beginn unseres Abenteuers, sind unsere zeitlichen Kapazitäten leider dermaßen eingeschränkt, dass wir nicht lange dort bleiben können. In Moshi sind wir nur 70 Kilometer entfernt und wollen zumindest die Gelegenheit nutzen, die Verantwortlichen vor Ort zu treffen und zu erleben, wie gut das Krankenhaus und die Schule bei den Einheimischen ankommt. Leider hat Cornelia keine guten Nachrichten für uns. Sie selbst wird in den kommenden Tagen nicht vor Ort sein und die direkte Straße zum Projekt ist aufgrund der Regenzeit derzeit unbefahrbar. Alternativ können wir über bzw. durch den Arusha Nationalpark hinfahren, was aber mit hohen Gebühren verbunden ist. Wir erhalten den Tipp, dass Kranke und Verletzte jedoch Gratis den Weg durch den Nationalpark nehmen können.
So finden wir uns am nächsten Morgen am Gate des Nationalparks ein und versuchen alle Trümpfe auszuspielen. Ines wird beordert wieder auf Krücken umzusteigen, um einen Krankentransport zu simulieren. Sie flucht nach wenigen Metern und hat das Gehen auf den beiden Dingern fast verlernt. Leider bringt uns an diesem Tag kein Mitgefühl und kein Verhandlungsgeschick dieser Welt weiter. Die verantwortliche Dame bleibt streng und möchte uns um knapp 300 US Dollar ärmer machen. Wir ziehen uns in den Bus zurück und beratschlagen uns. Zwanzig Minuten später fahren wir enttäuscht zurück zur Hauptstraße. Sehr gerne wären wir nach Momella gefahren. Die Regenzeit und die exorbitanten Gebühren haben uns einen Strich durch die Rechnung gemacht.
In Arusha stoppen wir bei einer Apotheke um uns einen Malaria Schnelltest zu besorgen. Der kompetente Inder hinter dem Tresen ist ein neugieriger aber angenehmer Gesprächspartner. Er drückt uns zum Abschied die Visitenkarte der Apotheke in die Hand und bietet uns an, bei jeglichen Notfall anrufen zu können. Als Michi nach seinen Namen fragt, entgegnet er mit seriöser Mine: „Guru, just G-U-R-U“. Schmunzelnd setzen wir unsere Reise fort. Wir haben uns entschlossen in Mto Wa Mbu Halt zu machen. Der Ort bietet nicht nur verschiedene Camp-Möglichkeiten, sondern liegt direkt am Fuße des Great Rift Valley. Der Lake Manyara Nationalpark liegt unmittelbar daneben, der Tarangire Nationalpark nur eine Stunde entfernt und vor allem ist es von hier nur mehr ein Katzensprung zum Ngorongoro Krater.
Am Weg dorthin öffnet sich die Landschaft regelrecht. Die weiten Ebenen der Maasai Steppe liegen rechts von uns. Kühe und Ziegen die auf der Fahrbahn schlummern, ersetzen in dieser Gegend die Menschen. In Mto Wa Mbu angekommen, biegen wir in Richtung der gewählten Campsite ab. Als wir drei Kilometer später vor einer matschigen Grube anhalten, realisieren wir, dass auch dieses Ziel derzeit nicht per Auto erreichbar ist. Vor Sonnenuntergang finden wir eine passende Alternative. Dort kommen wir mit einem Safariguide ins Gespräch und besprechen mögliche Tagestouren.
Am kommenden Tag scheint endlich wieder mal die Sonne und wir durchstreifen den Ort samt seinem lebendigen Markt. Ines braucht Nachschub in Sachen “Unbekannte Nahrungsmittel“ und ersteht eine lilagraue warzenübersäte Frucht. Einiges mehr an Obst wie rote Bananen oder saftige Limetten erstehen wir, bevor manche Verkäufer zu fordernd werden. „Why don’t you support me?“ oder „Come now, looking is free today“ tönt es im Sekundentakt. Wir unterstützen gerne, können aber nicht Jeden glücklich machen. Am Rückweg halten wir beim sogenannten “Vegetarian Programme“. Hinter einem Holztor finden wir einen großen Garten, in dem allerlei Früchte von den Bäumen hängen. Es handelt sich um ein kleines Restaurant, das sich ausschließlich im eigenen Garten bedient und trotzdem allerhand Auswahl bietet. Am Nachmittag treffen wir den Entschluss, am kommenden Tag eine Safari in den Ngorongoro Krater zu unternehmen. Der Guide erhält die Zusage und erledigt vorab noch die fälligen Formalitäten bei der Parkbehörde, während wir den Abend ruhig ausklingen lassen.
Früh morgens, noch vor 5:30 sitzen wir samt Thermoskanne, selbstgemachtem Jausenpaket und Fotoausrüstung im Fond des Geländewagens. Nach einer Stunde erreichen wir den Eingang der Ngorongoro Conservation Area. Die hohen Bäume am Straßenrand lassen sich noch erkennen, während die restliche Umgebung im Nebel versinkt. Erst kurz vor dem Kraterrand lichten sich die Nebelschwaden. Der Ausblick ist bezaubernd. Vulkane deren Flanken grün leuchten, funkelnde Seen und die endlose Weite der Serengeti im Hintergrund werden von der Sonne wachgeküsst. An der Kante des Ngorongoro Kraters angekommen, staunen wir über die Dimensionen. Michael ist vor drei Jahren bereits hier gestanden, kann sich im Moment aber nichts Schöneres vorstellen, als den Ausblick mit seiner Liebsten zu teilen. Etwa 600 Meter unter uns liegt der Kraterboden, dessen Durchmesser an der breitesten Stelle über 21 Kilometer beträgt. Wie ein Fluss, der sich als Wasserfall in die Tiefe stürzt, wirken auch die Nebelschwaden die vom Kraterrand hinunterfallen. Unten angekommen, läuft uns eine Herde Gnus vor den Wagen, daneben grasen drei Warzenschweine und etwas weiter entfernt zwei Eland Antilopen. Es dauert keine Stunde, bis wir einen Volltreffer landen. Nur wenige Meter neben der Piste entdecken wir ein Löwenrudel beim Dösen. Insgesamt sieben Tiere zählen wir. Zwei junge Männchen schmiegen sich zärtlich aneinander und gähnen eifrig um die Wette. Wir verharren eine gefühlte Ewigkeit und könnten dem Treiben stundenlang zusehen. Wenige hundert Meter weiter sorgt eine Hyäne für ein heiteres Bild. Das Tier steht in einer kleinen Pfütze aus der sie ausgiebig trinkt, während sie gleichzeitig mit kräftigem Strahl hinein pinkelt. Zebras samt ihren Neugeborenen schauen dem Tier aus sicherem Abstand zu. An einem ausgewiesenen “PicNic Point“ setzen wir uns auf eine Wiese und lassen die Bilder der ersten Stunden Revue passieren. Während Michi seine Jause kaut, spürt er plötzlich Bewegung hinter sich. Im selben Moment stürzt sich ein Greifvogel auf das Essen und reißt es tatsächlich aus Michis Hand. Da fliegt sie also, das leckere Pita Brot samt Avocado drinnen. Verblüfft schauen wir uns an, können die Geschwindigkeit des Manövers nicht fassen. Futtergrant gibt’s trotzdem nicht, denn Ines ist wie immer großzügig beim Teilen.
Danach geht’s weiter mit der erfolgreichen Pirschfahrt. Eine Gruppe Elefanten, ein Nashorn und viele Büffel kreuzen unseren Weg, bevor wir ein weiteres Löwenrudel entdecken. So vergehen die Stunden wie im Flug, bevor wir am Nachmittag über steile Serpentinen den Krater verlassen. Einen letzten Blick hinunter vom Aussichtspunkt gönnen wir uns und gewähren unserem tüchtigen Fahrer Elia gerne ein gemeinsames Erinnerungsfoto. Ein weiteres Highlight liegt hinter uns. Wie schön es ist, nur zu zweit in einem Safarifahrzeug zu sitzen, wissen wir spätestens seit dem Ruaha Nationalpark.
Im Camp angekommen, gönnen wir uns ein kaltes Getränk hinter unserem Bus, als ordentlicher Lärm die Idylle ruiniert. Ein Overland-Truck parkt sich ungeniert einen Meter neben uns ein, obwohl ringsum genug Platz ist. Bevor der Fahrer den Motor abstellt, hüpfen zwanzig Teenager aus dem Bus. Schockstarre überkommt uns. Wenige Minuten später tanzt die Rezeptionistin samt Truckfahrer bei uns an. Der afrikanische Fahrer besitzt tatsächlich die Frechheit, sich zu beschweren, dass wir ihm im Weg stehen. Ungehobelt schimpft er vor sich hin und findet in Michael einen willigen Gegner. Es wird richtig laut zwischen den Herren und die Rezeptionistin ergreift stillheimlich die Flucht. Die beiden Köpfe der Männer trennen nur mehr wenige Zentimeter, bevor sie doch eine friedliche Lösung finden.
Entnervt verlassen wir abends die Campsite und wollen unsere neuen Freunde im “Vegetarian Programme“ besuchen. Dort brennt kein Licht mehr, aber wir versuchen unser Glück und finden im dunklen Garten den jungen Rastaman Inno. Zuerst möchte er uns wegschicken, dann lässt er uns auf einen Drink bleiben, bevor er noch einen anderen Freund anruft, um dem Szenario beizuwohnen. Wenig später stößt noch der pensionierte Nachbar dazu und beschließt, als Willkommensgeschenk seinerseits, für uns zu kochen. Zu Reggae Musik aus einem Handy Lautsprecher sitzen wir dreißig Minuten später zu fünft am Tisch und essen Reis mit allem, was der Garten hergegeben hat. Die Gastfreundschaft und das Interesse der Einheimischen sind überwältigend. Als wir uns schweren Herzens verabschieden, werden Nummern ausgetauscht und wir erhalten sogar noch Geschenke aus dem Garten.
Zurück im Camp ist es überraschend ruhig. Der rüpelhafte Fahrer dürfte sich an seinen Teil der Abmachung halten. Wir schlafen rasch ein und wachen im Dunklen unsanft wieder auf. Gegen 4:30 hat sich die Crew des Trucks an der Kochstelle nebenan versammelt, um den Teenies ihr Frühstück zuzubereiten. An Schlaf ist nicht mehr zu denken. Michi schlüpft in etwas Kleidung und steigt aus dem Bus. Verdutzt, ob der vielen Menschen schüttelt er nur den Kopf, holt die Kamera und macht ein Erinnerungsfoto. In dem Moment hofft er, dass sich zumindest einige Typen ihrer Ignoranz bewusst werden.
Um 5:30 steht fest: wir verlassen so rasch wie möglich die Campsite und Mto Wa Mbu. Unsere Sachen packen wir im Eiltempo und nehmen Kurs Richtung Süden. Lange haben wir uns mit dem Gedanken gespielt, Tansania zur Gänze zu durchqueren um im Anschluss Ruanda und Uganda zu bereisen. Wie wir in den letzten Wochen erlebt haben, kann es ungemein zäh werden in der Regenzeit selber durch Tansania zu fahren. Viele Orte und Camps sind unzugänglich, die Speed Humps ramponieren unentwegt unser Fahrzeug und die korrupte Polizei tut das Übrige um unsere Laune flach zu halten. Unsere Durchschnittsgeschwindigkeit hat seit der Einreise an keinem Tag die magischen 50 km/h überschritten.
Zurück in den Süden
Tansanias Hauptstadt Dodoma ist knapp 400 Kilometer entfernt, womit die Strecke in rund 9 Stunden machbar ist. Überraschend frisch asphaltiert führt uns die Straße über einen langen Gebirgspass und verschiedene Täler. Ines macht sich an diesem Tag einen Spaß und zählt die Polizeikontrollpunkte entlang unseres Weges. Sensationellerweise werden wir nur von 3 der ersten 15 Polizisten interviewt. Nummer 4 (von 16) hat es dann doch in sich. Der junge Polizist hat in spezielles Anliegen. Er und sein Chief benötigen ein Taxi in unsere Fahrtrichtung und bitten uns um einen Lift. Wir sind wenig begeistert und feilen noch an einer Ausrede, als der Uniformierte bereits die Sitzbank samt Gurt im inneren unseres Busses entdeckt hat. So kommt es, dass die ersten Menschen, die wir in Afrika transportieren, zwei Polizisten sind. Als wäre in unserem Bus eine versteckte Kamera installiert, tun sie alles um die Situation noch skuriller zu machen. Einer der Beiden schießt laufend Selfies, während der Andere unter der Fahrt aufsteht und ein Video von sich inmitten unseres Wohnzimmers macht. Tatsächlich erleben die Beiden ein Highlight ihrerseits und stellen sich an, wie Kinder, die alle Knöpfe und Schalter interessant finden. Michael gibt ordentlich Gas, damit wir sie rasch wieder loswerden. Als uns das gelingt, sind wir knapp vor Dodoma angelangt und freuen uns auf eine warme Dusche. Da es im Umkreis von 300 Kilometern keine Campsite gibt, steuern wir auf ein Hotel zu, dass Ines auf TripAdvisor entdeckt hat. Dort angekommen, erleben wir ein Deja-Vu. Weit und breit ist nichts von der einfachen Lodge zu sehen. Michi spricht einige Männer an, die vor einer Bar sitzen. Keiner kennt die Lodge, aber sie sind sich sicher, dass sie nicht in ihrer Nachbarschaft liegt. Wir beauftragen ein Moped-Taxi mit der Suche. Dem folgen wir zwanzig Minuten später durch das Gewusel und landen am anderen Ende der Stadt. Dort finden wir tatsächlich das Quartier, wo wir den Bus sicher und umzäunt einparken. Ein junger Mann blickt aus seinem Kämmerchen, hebt sich langsam und zeigt uns die verfügbaren Zimmer. Wir nehmen das Sauberste und freuen uns über die Dusche. Als Michi dann nochmals den Burschen aufsucht um nach Internet und Abendessen zu fragen, erhält er glatt eine Liebeserklärung. Eine junge afrikanische Dame, die auch im Hotel nächtigt, lächelt ihn an und ruft lautstark: „Hello, I love you!“. Michael erwidert immerhin ihr “Hello“, lächelt höflich zurück und spricht dann weiter mit dem Mitarbeiter. Das Ignorieren törnt die Dame umso mehr an und sie gesellt sich zum Gespräch der Herren dazu. Michi gibt ihr den Hinweis, dass er zurück ins Zimmer zu seiner Frau muss. Sie akzeptiert die Ansage und wird wohl über den Herzschmerz hinwegkommen. Danach lassen wir uns von der Haushälterin alias Köchin deftig bekochen und fallen erschöpft ins Bett.
Weitere lange Stunden Fahrt liegen am Morgen vor uns. Dazu erreichen wir zum ersten Mal einen Ort, den wir auf unserer Reise bereits gesehen haben. Iringa ist uns in überschaubarer Erinnerung geblieben. Dort hat uns ein ganz hartnäckiger Polizist versucht zu erklären, dass er uns strafen muss, weil unser Lenkrad auf der falschen Seite befestigt ist. Knapp sechs Wochen sind seitdem vergangen. Am Weg durch das touristische kaum erschlossene Gebiet im Landesinneren fällt uns etwas Schönes auf. Sowohl Kinder als auch Erwachsene aller Altersklassen winken uns lächelnd zu. Ab und zu sind wir Aliens, aber meistens freuen sich die Menschen ganz offensichtlich uns zu sehen. In Iringa angekommen, freuen wir uns auf die Campsite der Kisolanza Farm. Dort wollen wir etwas Kraft tanken, bevor wir nach Malawi einreisen. Es ist trüb und tröpfelt als wir ankommen, trotzdem fühlen wir uns recht wohl. Unser Stellplatz bietet Schatten, Kochstelle und sogar Strom. Am nächsten Tag kommen wir mit einem älteren britischen Paar ins plaudern. Die liebenswürdigen zwei Reisenden heißen Sue und Ian und erleben ähnliche Abenteuer wie wir. Seine leicht mürrische Art und ihr britischer Humor sind uns auf Anhieb sympathisch. Ian lässt es sich als alter Bastler nicht nehmen, mit Michi am Bus zu schrauben, während Sue und Ines sich ums leibliche Wohl kümmern. Wie immer, sorgt Ines mit ihrem selbstgebackenen Brot für Begeisterung. Eigentlich sind die zwei Briten während ihrer Reise am liebsten für sich alleine, gesteht uns Sue. Anmerken lassen es sich die beiden zu keinem Zeitpunkt – in den nächsten drei Tagen wird unheimlich viel gelacht dazu heitere Reiseepisoden ausgetauscht. Außerdem werden wir vom Himmel belohnt und erleben jeweils lang anhaltende Halo Lichteffekte.
Als sich vormittags die Sonne blicken lässt, brechen wir zu zweit zu einem Spaziergang auf. Außerhalb des Farmgeländes führen zahlreiche Trampelpfade durch die Landschaft. Die Umgebung fühlt sich seltsam vertraut an. Wandernd zwischen Sonnenblumenfeldern und hohen Nadelbäumen könnte man glatt meinen, wir sind zurück im österreichischen Sommer gelandet. Sogar der Brunnen samt Wasserpumpe wirkt modern europäisch. Wir sammeln trockenes Feuerholz und Ines übt sich als echte Afrikanerin. Sie balanciert mehrere Äste auf ihrem Kopf und stellt sich dabei mehr als ordentlich an. Von Sue und Ian nehmen wir an einem kühlen Morgen Abschied. Die Beiden fahren ebenso nach Süden, schlagen jedoch eine andere Route ein. Wir vereinbaren in Kontakt zu bleiben und geben den beiden noch frisches Brot mit auf die Reise.
Unsere Tage in Tansania neigen sich ebenso dem Ende zu. Nur mehr ein Stopp liegt vor der Grenze zu Malawi. Wir sind gespannt, ob das “Warm Heart of Africa“ auch uns herzlich empfängt. Etwas weniger Regen wäre schon mal ein Anfang!
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Mariella (Montag, 23 April 2018 21:39)
Unglaublich Eure Erlebnisse � und atemberaubende Fotos. Es ist fantastisch das Ihr so viele unterschiedliche Menschen kennenlernt. Aber ganz schön dreist von der Polizei, Euch als Taxi zu benutzen. �Ihr 2 meistert Eure Reise echt toll. Viel Spaß und gutes Weiterkommen wünschen wir Euch. Sind gespannt auf Eure nächsten Abenteuer. Bussi von uns 4 � � � �
Katrin (Mittwoch, 25 April 2018 17:13)
Sooooo tolle Fotos! Und endlich große Katzis : )
Danke, dass ihr uns teilhaben lasst! Muchos Bussos!
Ralph (Freitag, 27 April 2018 21:25)
Schön zu sehen wie ihr das alles meistert und euch nichts aus der Ruhe bringt, außer die Teenie Gruppe was aber auch verständlich ist.
Besonders habe ich über die Hyäne lachen müssen, bin gespannt ob es von der auch ein Foto gibt.
Wünsche euch noch eine schöne Zeit in Tansania
Xandi (Samstag, 28 April 2018 14:01)
Ich liebe das Foto von dem Löwen der am Rücken liegt und alle vier von sich streckt! Hoffe ihr habt ab jetzt auch wieder so ein schönes Wetter wie wir! Ich liege grad in der Sonne und Strecke auch alle vier von mir �
Pimp (Donnerstag, 03 Mai 2018 09:36)
es ist immer wieder schön von euch zu hören !!!
Ula und Josef (Sonntag, 06 Mai 2018 21:32)
Lang haben wir eure Berichte nicht mehr verfolgen können. Wir waren in Tirol, haben dort gearbeitet, davor haben wir Vorbereitungen für unsere Ausstellung erledigt und jetzt hatte ich noch Mia und Jake bei mir. Erst jetzt sitze ich wieder vor dem Computer und begeistert verfolgen wir eure weiteren Reisen. Sehr spannend was ihr so erlebt! Schade dass ihr gerade als beim Indischen Ozean ward und ihr so nah von Kilimandscharo ward so viel schlechtes Wetter hattet, und dass ihr auch auf Grund der Regenzeit nicht all die Orte erreichen könnt, die ihr eigentlich anpeilt. In Gedanken begleiten wir euch, Passt auf euch auf! Alles Liebe von uns Burgenländern